Dieses Kapitel geht zunächst einzeln auf die IT- und die Unternehmensstrategie ein, um diese anschließend integriert zu betrachten. Die traditionelle Rolle der IT in Unternehmen bestand lange Zeit darin, die Fachbereichsprozesse optimal zu unterstützen. Anhand dessen wurden auch die Nutzenaspekte einer klassischen IT-Strategie abgeleitet. Nach Johanning sind die wichtigsten Nutzenaspekte einer IT-Strategie (Johanning, 2015, S. 10):
• Sicherstellung, dass die IT die Unternehmensstrategie nachhaltig unterstützt
• Verbesserung der Leistungsfähigkeit der IT
• Klare Entscheidungsgrundlagen und Richtlinien für neue IT-Investitionen
• Transparenz des IT-Mitteleinsatzes mit größtmöglicher Effizienz für das Unternehmen Kostenreduktion durch optimierte Unternehmensarchitekturen
• Bessere Kommunikation zwischen der IT und den Fachbereichen (optimiertes Business-IT-Alignment)
• Optimale Unterstützung der Fachbereichsziele
• Fokussierung und bessere Unterstützung wichtiger, wertschöpfender Geschäftsprozesse
Die Aufgaben der IT gehen heutzutage längst über die einfache Unterstützung von Unternehmensprozessen hinaus und nimmt beispielsweise eine entscheidende Rolle als Schnittstelle zum Kunden ein. Anstatt lediglich Verwaltungsprozesse zu beschleunigen und Kosten zu senken, kommt bei der IT heute auch eine wichtige strategische Komponente hinzu. Anwendungen wie beispielsweise Business Intelligence, Big Data oder intelligente Logistik- oder CRM-Systeme können einen entscheidenden Beitrag zu der Wertschöpfung leisten. Deshalb ist in modernen Unternehmen eine IT-Strategie längst unabdingbar (Johanning, 2015, S. 7). Allerdings existieren auch eine Reihe von unterschiedlichen Definitionen für die IT-Strategie. Die IT-Marktforschung Gartner hebt die enge Verzahnung von IT- und Businessstrategie hervor, da die IT dem Unternehmen dabei helfen soll, Wettbewerbsvorteile auszuspielen und zu gewinnen:
„This breaks down into IT guiding the business strategy, and IT delivering on the business strategy. Although some or all tasks involved in creating the IT strategy may be separate, and there are normally separate documents, IT strategy it is an integral part of the business strategy.“
Dagegen geht Forrester sogar noch weiter und schlägt vor, die klassische IT-Strategie komplett zu eliminieren und lediglich eine einzige Unternehmensstrategie „mit einer technologischen Komponente“ zu entwickeln3. Allerdings zeigt die Praxis, dass in der Realität über 90 % der Unternehmen gar keine schriftlich festgehaltene Strategie besitzen (Huber, 2006). Folglich muss diesbezüglich in der Praxis der Unternehmen ein Umdenken geschehen, da davon auszugehen ist, dass nur schriftlich fixierte Strategien Unternehmen dazu befähigen, gut überlegte, gezielte und langfristig wertvolle Entscheidungen für das Unternehmen zu treffen.
Die Entwicklung in der Wahrnehmung von IT- und Unternehmensstrategien ist dargestellt in Abbildung 8. Die ursprünglich getrennte Betrachtung beider Strategien (links) wurde nach und nach ersetzt durch eine Abstimmung beider Strategien (mitte). Die heute am weitesten verbreitete Auffassung ist schließlich eine integrierte Strategie (ähnlich der Definition von Forrester), welche beide Größen simultan betrachtet, sodass beispielsweise schon bei der Strategiefindung Synergieeffekte von beiden Strategieaspekten erzeugt werden können (Haltmeier, 2008).
2.2.1 Entwicklung der klassischen Strategie-Theorien
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Unternehmensstrategien begann in den 60er Jahren. Das Projektportfolio spielte damals noch keine Rolle. Die bekanntesten ersten Strategie-Modelle stammen von den Autoren Andrews, Ansoff and Chandler(Andrews, 1965; Ansoff, 1965; Chandler, 1962). Davor waren wissenschaftliche Artikel hauptsächlich auf die Auseinandersetzung mit unternehmensinternen Betrachtungsweisen und die Optimierung der Effizienz von internen Ressourcen und Prozessen beschränkt. Aufgrund des beginnenden Wachstumswettbewerbs und der steigenden Komplexität der Umwelt von Unternehmen war ein Paradigmenwechsel notwendig. Die Analyse von neuen Geschäftsfeldern und verschiedenen Faktoren der Unternehmensumwelt rückten immer mehr in den Fokus, um die strategische Expansion von Unternehmen zu ermöglichen (Sjurts, 2000).
Die Arbeit von Chandler konzentrierte sich vor allem auf den Zusammenhang von Orga- nisationsstruktur und Unternehmensstrategie, welche sich direkt beeinflussen (structure follows strategy). Die anderen Marktteilnehmer spielten in seiner Theorie jedoch keine bedeutende Rolle. Sie waren für Chandler lediglich von Bedeutung, falls sie durch eine Expansionsstrategie vertikal in das Unternehmen integriert werden sollten (Chandler, 1962). Dagegen kombinierte Andrews erstmals externe Faktoren wie Risiken und Chancen eines Unternehmens mit internen Faktoren wie unternehmensspezifische Ressourcen für die Definition einer geeigneten Strategie (Andrews, 1965). Auch hier war die Auswahl eines Portfolios für ein gezieltes Multiprojektmanagement noch nicht relevant. Dies gilt auch für die Theorie von Ansoff, welcher die Unternehmensstrategie aufgrund eines Gleich- gewichts des Produkt-Markt-Portfolios ableitete. Dabei definiert er vier Normstrategien, welche entweder durch interne Weiterentwicklung des Unternehmens oder durch externes Wachstum (Zukauf von anderen Unternehmen oder Lizenzen) verfolgt werden können.
2.2.2 Wandel zu kooperativen Strategie-Ansätzen
Beginnend mit den 80er Jahren hat sich die strategische Unternehmensführung erneut gewandelt. Aufgrund der Globalisierung ist die Größe der Märkte deutlich gewachsen, sowie proportional dazu auch die Kosten, welche mit der Entwicklung neuer Produkte und Erschließung neuer Märkte einhergehen. Folglich ist die Bedeutung von kooperativem Handeln zwischen Unternehmen immer wichtiger geworden. Nicht nur in reifen Märkten, sondern auch in frühen Marktphasen ist der Wettbewerb nicht mehr alleinig von Einzelun- ternehmen, sondern vielmehr von Kooperationen bestimmt. Deshalb lässt sich ein Wechsel erkennen, weg von der Singularität des reinen Verdrängungsdenkens hin zu kollaborativen Unternehmensstrategien, die sich z. B. in der vermehrten Bildung von Joint Ventures oder komplexen globalen Produktionsnetzwerken zeigen (Sjurts, 2000).
Es existiert eine Reihe an Begriffen, welche alle in einer bestimmten Form den kooperativen Ansatz der Unternehmensstrategie beschreiben. Die weit verbreitetsten davon sind dasstrategische Netzwerk, das Joint Venture oder die strategische Allianz. Jedoch gibt es auch eine Vielzahl an verschiedenen, und teilweise widersprüchlichen, Definitionen hierzu. Ein Begriff, über den in der Literatur keine eindeutige Definition existiert, ist die strategische Allianz. Von einigen Autoren wird die strategische Allianz als eine horizontale Kooperation bezeichnet, welche sich auf ein bestimmtes Geschäftsfeld beschränkt (Backhaus et al., 1993). Andere Autoren verstehen unter dem Begriff dagegen auch eine vertikale Kooperation (Kanter, 1989) oder sogar eine Kooperation in Form einer Kapitalbeteiligung (Lewis, 1991). Doch auch zu anderen ökonomischen Modellen, wie dem strategischen Netzwerk, gibt es noch keine klar definierte Begriffsbestimmung, sondern vielmehr einen „terminologischen Dschungel“ (Sjurts, 2000, S. 8 ).
2.2.3 Nutzenorientierte Unternehmensstrategie nach Mewes
Trotz der scheinbaren Verwirrung, die von der großen Ambiguität in der Literatur bezüglich des Strategieverständnisses resultiert, ist klar ein Umdenken erkennbar, welches sich lang- sam weg bewegt von der rein quantitativen Betrachtung der klassischen Strategie-Theorien. Ein Beispiel hierfür ist die Engpasskonzentrierte Verhaltens- und Führungsstrategie (EKS) von Wolfgang Mewes, welchen Anfang der 80er Jahre nicht nur bei Ökonomen immer mehr Gehör fand, sondern laut Bürkle auch für eine Reihe von Erfolgsgeschichten mittelständi- scher Unternehmen mitverantwortlich war (Bürkle, 2012). Während die Orientierung an den Bedürfnissen der Kunden bei Porter eine von insgesamt drei möglichen Ausrichtungen darstellte, war diese bei Mewe der Ausgangspunkt jedes unternehmerischen Denkens und Handelns. Anstatt Gewinnmaximierung als oberstes Ziel zu verfolgen, geht es bei Mewes EKS-Prinzip darum, den Nutzen für den Kunden und damit für die Unternehmensumwelt zu steigern. Dies führt zu einem radikalen Umdenken. Anstatt die eigene Gewinnma- ximierung zu priorisieren (z. B. um nach dem Shareholder-Value-Prinzip die Gewinne kurzfristig zu steigern, um die Aktionäre zu befriedigen), solle die Steigerung des Nutzens für die Zielgruppe eins Unternehmens die oberste Maxime darstellen. Damit lasse sich nach Mewes Theorie der langfristige Erfolg des Unternehmens sicherstellen. Grund dafür seien kybernetische Wechselwirkungen der richtigen Strategie, die positive Wirkungen nach sich ziehen. Die Wirkungsspirale dieser Logik ist abgebildet in Abbildung 9.
Darüber hinaus differenziert sich die Engpass-konzentrierte Strategie durch eine Reihe von Grundprinizipien von klassischen Strategie-Ansätzen, welche in Tabelle 3 gegenüber gestellt sind. Ein entscheidende Eigenschaft klassischer Strategieansätzen ist nach Bürkleein introvertierter Fokus auf das Unternehmen, welcher das Ziel hat, sich gegen Wettbe- werber durchzusetzen. Dagegen sei die EKS eher extrovertiert, kundenrelevant und daher wirkungsvoller.
2.2.4 Markttreiber und generische Strategien nach Porter
Die Arbeiten von Michael E. Porter gehören zu den meist bekannten und grundlegende Strategietheorien der Literatur. Obwohl die generischen Unternehmensstrategien bereits in den 1920ern bekannt waren, erhielten sie erst in den 1980ern durch Porter eine breitere Anerkennung. Porter unterscheidet drei grundlegende Arten von Strategien (Johanning, 2015, S. 101), welche in Abbildung 10 dargestellt sind:
1. Differenzierung Bei dieser Strategie hebt sich ein Unternehmen durch ein besonderes Produkt bzw. einer besonderen Dienstleistung von den Wettbewerbern ab. Betrachtet wird bei dieser Strategie der gesamte Markt. Die Differenzierung kann durch verschiedene Merkmale erfolgen, wie beispielsweise durch einzigartiges Design oder Bedienbarkeit (z. B. Apple), einer speziellen Vertriebsform (z. B. Tupperware oder Vorwerk) oder ein besonderer Marketingmix bzw. Slogan (z. B. BMW: „Freude am Fahren“).
2. Kostenführerschaft Auch diese Strategie kann ein Unternehmen bezogen auf den Gesamtmarkt verfolgen. Im Gegensatz zur ersten Strategie setzt die Kostenführerschaft allein darauf, der günstigste Anbieter am Markt zu sein. Dies wird erreicht durch die Optimierung aller internen Prozesse und Produktionsfaktoren. Eine Positionierung am Markt findet somit durch das Minimieren der Kosten statt (z. B. ALDI: Konsequente Reduktion der Produktpalette sowie der Warenhäuser auf das Minimum, um die günstigsten Preise am Markt zu erreichen.)
3. Nischenstrategie Diese Strategie (auch Fokus- oder Segmentierungsstrategie genannt) zielt im Gegensatz zu den ersten beiden Strategieansätzen auf eine bestimmte Zielgruppe ab. Dabei können sowohl besondere Produktmerkmale als auch ein Kostenvorsprung anvisiert werden. Der wichtigste Aspekt jedoch ist die Wahl eines für das Unternehmen günstigen Teil- bzw. Nischenmarktes, auf dem das Unternehmen darauf abzielt, ein Spezialist zu werden und die anvisierte Kundengruppe für sich zu gewinnen (z. B. die Unternehmen Würth und Kärcher, welche spezialisierte Produkte anbieten und diese gemäß der Wünsche der Zielgruppen konsequent verbessern).
Als Grundlage zur Formulierung der Strategie stellt Porter eine interne und externe Unternehmensanalyse vor, welche die Aspekte der SWOT-Analyse um zwei weitere Fak- toren ergänzt, wie dargestellt in Abbildung 11. Die interne Analyse bezieht die Stärken und Schwächen des Unternehmens mit ein, im Sinne von vorhandenen materiellen und finanziellen Ressourcen, Markenstärke, Fähigkeiten der Mitarbeiter usw. Darüber hinaus sind nach Porter auch die individuellen Werte, Überzeugungen und Motivationen der Unternehmensleitung von Bedeutung für die Strategie. Als externe Faktoren definiert Porter die Chancen und Gefahren der Unternehmensumwelt sowie weitere gesellschaftliche Faktoren, wie die Gesetzeslage oder aktuelle gesellschaftliche Probleme und Bedürfnisse (Porter, 1980).
Darüber hinaus definiert Porter fünf Wettbewerbskräfte, welche die Intensität des Wettbe- werbs bestimmen (siehe Abbildung 12). Diese bestimmen die Struktur des Wettbewerbs und sind auch dafür verantwortlich, wie hoch die zu erwartenden Profite in bestimmten Branchen ausfallen. Neben der Rivalität existierender Unternehmen sind demnach die Verhandlungsmacht der Zulieferer und Kunden sowie die Gefahr durch neue Markteintritte und Substitute bestimmend für den Wettbewerb innerhalb einer Branche.
2.2.5 SWOT-Analyse
Die SWOT-Analyse ist ein Modell der strategischen Planung, welches aus einer internen Analyse (Stärken und Schwächen des Unternehmens) und aus einer externen Analyse (Chancen und Gefahren des Umfelds) besteht. Mögliche Stärken eines Unternehmens sind z. B. das Know-How oder der Markenname. Mögliche Schwächen stellen z. B. eine hohe Fluktuation der Mitarbeiter oder eine geringe Internationalität dar (Schawel et al., 2011, S. 183). Mögliche Gefahren können z. B. der Preisverfall in einer bestimmten Branche oder eine zunehmende Konsolidierung der Wettbewerber sein (ebd., S. 183). Mithilfe der SWOT-Analyse können Kernkompetenzen und die Strategie besser an die Ziele des Unternehmens angepasst werden (Eremit et al., 2016, S. 17). Ebenso dient die SWOT- Analyse als Hilfsmittel zur Positionierung eines Unternehmens am Markt (Schawel et al., 2011, S. 182).
Die Vierfeldermatrix der SWOT-Analyse ist dargestellt in Abbildung 13. Bei der Särken- Chancen-Strategie (1. Quadrant) sucht das Unternehmen Chancen, die gut zu den Stärken des Unternehmens passen. Mögliche Fragestellungen sind z. B. Was können wir besonders gut? Was macht uns einzigartig in unserem Umfeld? Der zweite Quadrant kombiniert die Schwächen mit den Chancen. Er ermöglicht eine Umwandlungsstrategie, die vorsieht, an den eigenen Schwächen des Unternehmens zu arbeiten, um dadurch neue Chancen zu nutzen. Mögliche Fragestellungen sind: Welche unserer Schwächen können wir in Chancen umwandeln? Wie kann uns unser Umfeld hierbei unterstützen? (Eremit et al., 2016)
Stärken und Risiken werden im dritten Quadranten in Relation gesetzt. Im Rahmen einer Neutralisierungsstrategie können die Stärken eines Unternehmens genutzt werden, um die Risiken zu minimieren bzw. abzuwehren. Wichtige Fragestellungen sind z. B.: Welche neuen Trends bzw. neuen Entwicklungen könnten für uns eine Chance sein? Welche unserer Stärken eignen sich, um die Risiken zu meistern? Im vierten Quadranten werden Schwächen und Risiken miteinander verglichen. Hier kann eine Ausweichstrategie definiert werden, um die eigenen Schwächen zu minimieren, damit mögliche Risiken abgewandt werden können. Mögliche Fragen sind: Welche unserer Schwächen beinhalten zusätzliche Risiken? Wie können wir unsere Schwächen minimieren, um Risiken zu vermeiden? Aus der SWOT- Analyse lassen sich im Ergebnis ein Stärken/Schwächen- sowie ein Chancen/Risiko-Profil erstellen, mithilfe dessen Handlungsempfehlungen für die Strategie generiert werden können (ebd., S. 19ff).