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2.1 IT-Multiprojektmanagement (MPM)


2.1.1 Geschichtliche Entwicklung des Multiprojektmanagements

In der Literatur lassen sich die ersten Beiträge zum Multiprojektmanagement in den 60er Jahren finden. Damals waren vor allem Aspekte wie die Ressourcenallokation mithilfe von Programmierungs-Methoden von Bedeutung. Dabei wurde die Reihenfolge der Bearbeitung von Projekten festgelegt, um knappe Ressourcen bestmöglich zu verteilen (Pritsker et al., 1969). Die ersten praktischen Erfahrungsberichte zur Umsetzung der Multiprojektplanung in dem Unternehmen Fichtel & Sachs stammen aus den 70er Jahren. Mitte der 80er Jahre wurde die Bedeutung der Strategie für das Multiprojektmanagement erstmals thematisiert. So wies Grebenc darauf hin, dass das Projektportfolio inhaltlich auf die Strategie eines Unternehmens ausgerichtet werden sollte (Kunz, 2007, S. 12).

Das steigende Interesse von Wissenschaft und Unternehmen am Multiprojektmanagement zeigte sich bereits in den 80er und 90er Jahren, als IT-Systeme immer bedeutender für Unternehmensprozess wurden. Schon damals gab es über 100 verschiedenen Methoden zur Bewertung und Auswahl des richtigen Projekt Portfolios (Cooper, 1993). Doch oftmals wurden diese Methoden im einzelnen betrachtet, ohne eine ganzheitliche Betrachtung im Zusammenhang mit der Unternehmensstrategie. Aufgrund der immer komplexer werdenden Unternehmensumwelt, stieg die Anzahl der gleichzeitig zu bewältigenden Projekte – und damit auch die Notwendigkeit nach einem funktionierendem Portfolio-Management – immer weiter an. In den 90er Jahren ist schließlich ein großer Anstieg von Publikationen zu MPM zu erkennen gewesen, außerdem wurde eine Reihe neuer Bewertungsmethoden vorgestellt, wie z. B. die Einbeziehung des Projekt-Cash-Flows oder des Net Present Values. Bis heute hat sich das Multiprojektmanagement von der rein Ressourcen-basierten Betrachtung bis hin zu einer umfangreichen strategischen Betrachtung des Projektportfolios von Projekten entwickelt (Kunz, 2007, S. 13). 

Eine Studie aus dem Jahr 2014, bei der über 180 Unternehmen verschiedenster Branchen befragt wurden, zeigt, dass viele Unternehmen über 30 Projekte gleichzeitig steuern, bei großen Unternehmen sind es sogar mehrere hundert bis über 4.000 Projekte. Die Ergebnisse der Studie sind dargestellt in Abbildung 2.





2.1.2 Begriffsdefinitionen

Das Multiprojektmanagement (MPM) umfasst die Auswahl, Beurteilung und Kontrolle eines Sets oder Portfolios einer Vielzahl an parallel laufenden Projekten eines Unternehmens. Ziel des MPM ist die Auswahl von Projekten und Verteilung der nötigen Ressourcen (Zeit, Kosten, Personal) zur Steigerung des strategischen Gesamtnutzens des Projekt Portfolios für das Unternehmen (Archer et al., 1999). In der Literatur wird der Begriff oft synonym verwendet mit dem Projekt Portfolio Management (PPM). Einige Autoren unterscheiden die Begrifflichkeiten, indem sie dem PPM einen stärkeren strategischen Bezug zusprechen und das MPM eher der taktischen Ebene des Tagesgeschäfts zuordnen, siehe Tabelle 1. Dennoch haben die Begriffe eine große Schnittmenge und können nicht immer scharf getrennt werden. Aus diesem Grund werden in dieser Arbeit beide Begriffe synonym verwendet, mit Fokus auf die strategischen Eigenschaften des PPM.


Multiprojektmanagement ist höher in der Unternehmenshierarchie angesiedelt als das klassische Projektmanagement (siehe Abbildung 3). Beim MPM liegt der Fokus darauf, die Effektivität von Projekten zu beurteilen, also zu entscheiden, welches die richtigen Projekte sind, die weitergeführt oder in die investiert werden sollen. Im Gegensatz dazu liegt beim klassischen Projektmanagement der Fokus darauf, die Effizienz von Projekten zu erhöhen, also die Auswahl der richtigen Methoden, die beeinflussen wie Projekte richtig durchzuführen sind (Srivannaboon et al., 2016, S. 2003).


Darüber hinaus ist der Begriff Multiprojektmanagement abzugrenzen von dem Programm ManagementAls Programm Management wird das Management einer Vielzahl von Projekten bezeichnet, welche alle dem gleichen übergeordneten Ziel dienen. Folglich ist auch ein Programm ein zeitlich endliches Unterfangen, welches mit dem Erreichen des Programmziels abgeschlossen wird. Im Gegensatz dazu ist das Projekt Portfolio Management eine zeitlich unbegrenzte Aufgabe. Das Portfolio an Projekten sollte ständig neu beurteilt, priorisiert und kontrolliert werden, um die Ressourcen eines Unternehmens stets gut zu verteilen, und die Unternehmensstrategie bestmöglich zu verfolgen (Kunz, 2007). Teil des PPM können somit sowohl Programme mit Unterprojekten, als auch alleinstehende Einzelprojekte sein, mit dem Unterschied, dass Projekte eines übergeordneten Programmes immer im Kontext des Programmziels beurteilt werden sollten. Abbildung 4 zeigt die Abgrenzung des Projekt Portfolio Managements nach Kunz.



2.1.3 Der MPM-Prozess

In der Literatur existieren eine Reihe von unterschiedlichen Darstellungen des MPM-Prozesses. Eine verbreitete Darstellung ist die Gliederung in drei Phasen. In Anlehnung an Archer et al. und PMI lassen sich diese drei Phasen wie folgt aufgliedern. In der ersten Phase wird die Strategie des Unternehmens definiert bzw. angepasst. Dieser Prozess ist nach Meier zeitintensiv und eher unstrukturiert. Neben den Zielen des Unternehmens werden auch geeignete Key Performance Indicators (KPIs) definiert und die verfügbaren Ressourcen identifiziert. Die zweite Phase ist die Auswahl-Phase des Projektportfolios und sollte spätestens jedes Jahr wiederholt werden. In dieser Phase werden die einzelnen Projekte bewertet, Ressourcen zugeteilt und nicht passende Projekte abgelehnt oder abgebrochen. Die dritte Phase besteht aus dem andauernden Controlling und Monitoring der Projekte und deren Risiken. Dabei definiert Meier die dritte Phase wiederum als einen fortlaufenden Kreislaufprozess, wie dargestellt in Abbildung 5 auf der rechten Seite. Danach sollten bereits im Portfolio enthaltene Projekte ständig bezüglich ihrer Risiken neu evaluiert und klassifiziert werden, um das Portfolio auf Änderungen bestmöglich anzupassen. 



Eine andere Definition stellt das Multiprojektmanagement als einen einzigen Kreislaufprozess dar, wie gezeigt in Darstellung 6. Der Kreislaufprozess gliedert sich in zwei Ebenen, die der Planungs- und der Steuerungsebene. Zunächst erfolgt auf der ersten Stufe der Planungsebene im Rahmen der Planungsinventur die Aufnahme aller existierenden Projek- te, inklusive laufender, verschobener und neuer Projekte. In der ersten Stufe werden die Projekte in Muss-, Kann- und Soll-Projekte kategorisiert, wobei die Muss-Projekte in der zweiten Stufe der Planungsebene sofort durchzuführen sind (Müller et al., 2018, S. 6). Grund für die Kategorisierung der Muss-7oder Zwangsprojekte können z. B. gesetzliche Auflagen, eine zentrale Bedeutung für die Strategie oder ein besonders großer Kunden- druck sein. Die Bewertung der Kann- und Soll-Projekte kann mithilfe von verschiedenen Methoden festgelegt werden, welche in Abschnitt 2.1.5 näher vorgestellt werden. Auf Grundlage der Priorisierung werden schließlich die personellen und monetären Ressourcen auf die verschiedenen Projekte verteilt. Bei der Verteilung von Personal auf die einzelnen Ressourcen sollte darauf geachtet werden, dass sich das Personal bestmöglich zuarbeiten kann ohne dass sich Engpässe oder eine Überlastung entwickeln können. Ebenso hat die übergeordnete Kapazitätsplanung die Aufgabe sicherzustellen, dass die Ressourcen in einer ausreichenden Anzahl den Projekten im Zeitverlauf zur Verfügung stehen (Müller et al., 2018). Auf der Steuerungsebene werden alle laufenden Projekte überwacht und regelmäßig Kennzahlen für das Reporting gesammelt und zur Verfügung gestellt. Diese können dann bei der nächsten anstehenden Überprüfung des Projektportfolios wieder der 1. Bewertungsstufe verwendet werden.

2.1.4 Aufgaben eines Multiprojektmanagers

Der Multiprojektmanager hat zum einen strategischen Ansprüchen gerecht zu werden, aber auch operative Dringlichkeiten zu berücksichtigen. Im Mittelpunkt seiner Tätigkeit steht die „Breitenanalyse“ aller Projekte, welches durch ein Reporting-System ermöglicht wird. Ebenso muss die Existenz einer einheitlichen Datenbasis im Unternehmen für die kritischen Parameter Zeit, Kosten, Ressourcen, Inhalt und Qualität gewährleistet sein. Der Multiprojektmanager sorgt dafür, dass entsprechende Projektmanagementstandards erfüllt und definiert werden (ebd.). Dabei vermittelt der Multiprojektmanager vermittelt dabei zwischen der Linien- und der Projektorganisation, wie dargestellt in Abbildung 7. Im Hinblick auf die Linienorganisation weist er den Vorstand auf Projektabhängigkeiten hin und gibt Priorisierungsvorschläge. Eine unterstützende und beratende Rolle bezogen auf die (Multi-) Projektsteuerung nimmt er gegenüber dem Geschäftsleiter ein.


Bezüglich der Bereichs- und Abteilungsleiter überwacht der Multiprojektmanager die operativen Einheiten bezogen auf ihre Vorhaben. Ebenfalls nimmt er ihnen gegenüber auch eine beratende und steuernde Rolle ein. Zudem definiert und setzt er die Standards, Methoden und den und Tools für das Qualitätsmanagement. Da die einzelnen Projekte in Wechselbeziehungen zueinander stehen, ist es die Aufgabe des Multiprojektmanagers alle Informationen, die er über laufende Projekte hat, im Hinblick auf mögliche inhaltliche und zeitliche Abhängigkeiten zu durchleuchten. Entscheidungen, die bezüglich eines Projektes getroffen wurden, hat der Multiprojektmanager auf ihre möglichen Auswirkungen auf andere existierende Projekte zu untersuchen und diese zu bewerten und zu kommentieren, falls die Notwendigkeit besteht. Je nach Bedarf teilt er das Budget auf die geplanten Projekte auf. Im Anschlusss kontrolliert er laufend die Budgets (Müller et al., 2018).

2.1.5 Bewertungsmethoden

Es gibt eine breite Auswahl an Methoden, die zur Projektbewertung und -priorisierung herangezogen werden können. Bei der Portfolioauswahl besteht deshalb das Problem, die geeignetsten Methoden dafür heranzuziehen. Bei einer großen Heterogenität der Projektei- genschaften kann es außerdem erforderlich sein, verschiedene Methoden für verschiedene Projektarten zu verwenden. Dies ist allerdings nur sinnvoll, wenn innerhalb des Unterneh- mens mehrere Projektportfolios getrennt verwaltet werden. Mithilfe der Methoden soll eine objektive Bewertung der Projekte ermöglicht werden. Grundsätzlich werden in der Literatur drei verschiedene Kategorien unterschieden (siehe Tabelle 2). Eine rein monetäre Bewertung wird bei allen eindimensionalen Bewertungsmethoden angewendet. Kompara- tive Methoden sind hingegen darauf ausgerichtet, Projekte systematisch miteinander zu vergleichen. Bei den mehrdimensionalen Bewertungsmethoden liegt der Fokus vor allem auf qualitativen Kriterien (Kunz, 2007, S. 124).

Die meist bekannten Investitionsrechenmethoden sind z. B. die Kapitalwertmethode, Inter- ner Zinsfuß oder die Amortisationsmethode. Mit diesen Methoden lassen sich Projekte gut anhand konkreter Kennzahlen kurz- und mittelfristig miteinander vergleichen. Allerdings sind solche statischen und rein monetären Berechnungen nur bedingt für die Bewertung der strategischen Relevanz von Projekten geeignet, da ein strategischer Wert oft erst einige Jahre später zu erkennen ist (Kunz, 2007, S. 126). Die komparativen Methoden sind dagegen nur bedingt anwendbar für die Priorisierung von Projekten. Beispielsweise fehlt bei der Analytical Hierarchy Process (AHP) Methode die Betrachtung von wech- selseitigen Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Projekten (Archer et al., 1999). Des weiteren haben die Q-Sort Methode und Paargvergleich-Methoden den Nachteil, dass der Bewertungsaufwand einer Vielzahl von Projekten extrem hoch ist. Die Anzahl der durchzuführenden Paarvergleiche steigt mit der Anzahl der Projekte exponentiell an und muss zudem regelmäßig für alle Projekte wiederholt werden, sobald neue Projekte dazu kommen (Kunz, 2007, S. 126).

Im Gegensatz zu den komparativen Methoden sind die mehrdimensionalen Methoden sehr gut für die Projektpriorisierung verwendbar. Vor allem die Scoring-Modelle werden dafür oft angewendet, da sie die qualitativ definierten Kriterien mit quantitativen Kennzahlen kombinieren. Auch Portfolio-Modelle sind sehr gut geeignet, da diese eine visuelle und mehrdimensionale Darstellung aller Projekte eines Portfolios mithilfe von bestimmten Kriterien ermöglichen.